Bis wenige Jahre vor seinem Tod lebte Arthur Schopenhauer, kaum beachtet, in Frankfurt am Main und hatte nur wenige Anhänger. Eine Studie des Philosophen Axel Schlote holt nun drei interessante Persönlichkeiten ans Licht, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind bzw. deren Bezüge zu Schopenhauer und seiner Philosophie unterschätzt wurden. Noch unentdeckt als früher Anhänger Schopenhauers ist Harald Schütz aus Bielefeld. Schlote zeigt in seinem Buch, dass Harald Schütz als 16-jähriger Schüler Ansichten Schopenhauers in einem Schulaufsatz zustimmend darstellte. Damit war er der jüngste Anhänger Schopenhauers zu dessen Lebzeiten, jünger als alle bislang bekannten Apostel des Philosophen. Trotz seiner Neigung zur Philosophie studierte Harald Schütz später Mathematik und Physik, in Schopenhauers Wahlheimat Frankfurt wurde er ein angesehener Gymnasialprofessor. Der Öffentlichkeit war er nur als Studienfreund von Ernst Abbe bekannt – hier hat seine Verehrung für Schopenhauer auch Früchte getragen. Harald Schütz steht stellvertretend für viele unbekannte Anhänger, die im Privaten wirken und durch Gespräche neue Anhänger für Schopenhauers Philosophie werben. Nur dem Namen nach bekannt, da er mit Schopenhauer korrespondierte, ist Haralds Vater Carl Schütz, Gynasialprofessor aus Bielefeld. Seine Verbindung zu Schopenhauer war tiefer als bisher gewürdigt, wie Schlote durch Belege und Entdeckungen nachweist. Carl Schütz begann 1849, die Werke Schopenhauers zu studieren, lange bevor dieser öffentlich anerkannt wurde. Der Philosoph zählte Carl Schütz ausdrücklich zu seinen Aposteln. Ihre Verbindung war von Dankbarkeit und Verehrung auf der einen, Sympathie und Anteilnahme auf der anderen Seite geprägt. Carl Schütz gehört zum kleinen Kreis großer Verehrer, die zu Schopenhauers Lebzeiten seine Bedeutsamkeit erkannten. Darüber hinaus war Carl Schütz nicht nur Lehrer, sondern ein überregional angesehener, höchst produktiver Sanskritforscher und -übersetzer der ersten Stunde. Bekannt ist dagegen das Lebenswerk des berühmten Physikers und Optik-Unternehmers Ernst Abbe aus Jena – aber nicht sein Verhältnis zu Schopenhauer. Selbst in der Abbe-Forschung wird die Auseinandersetzung mit Schopenhauers Philosophie, insbesondere dessen Ethik, nur am Rande erwähnt. Ernst Abbe war der beste Freund von Harald Schütz. Schlote rekonstruiert in seiner Studie, dass durch Harald Schütz die Philosophie Schopenhauers Abbe beeinflusste, was zur Gründung der Carl-Zeiss-Stiftung beigetragen haben dürfte. Abbe war ein außergewöhnlicher Mensch, auch ohne Schopenhauer; aber genau deshalb hat Schopenhauer Eindruck auf ihn gemacht. Das prominente Lebenswerk von Ernst Abbe zeigt, dass Philosophie praktisch wohltuende Folgen haben, die das Leiden in der Welt zwar nicht aufheben, aber doch merklich lindern.
Axel Schlote: Der jüngste Anhänger Schopenhauers, sein Vater und sein bester Freund. Über Harald Schütz, Carl Schütz und Ernst Abbe,Parodos Verlag: Berlin 2022 – Preis: 17,90 €
Verfasser:Axel Schlote, Autor und Philosoph, promovierte 1996 mit einer Arbeit über die Zeit. Zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt 2021 »Die beiden Grundprobleme der Philosophie«.